Christina und Enrique unterwegs auf dem Jakobsweg
Via Podiensis
(Reisebericht von Teilnehmer Urs)
Samstag, 9.Juni 2012 - Anreise Le-Puy-en-Velay
Bei wechselhaftem Wetter (starker Regen bis Sonnenschein) traten wir unsere Reise an. Von Goldach, Widnau, Buchs, Genf gings zuerst mit dem Auto bis nach Le Puy-en- Velay, dem letztjährigen Etappenziel. Die Fahrt verlief ohne Zwischenfälle und ein kurzer Umweg von 60 km führte uns nach "Vireville", wo wir die Wirtin "Marie" besuchten. Nie hätten wir gedacht, dass wir diese nette Dame je wieder sehen würden. Sie war sichtlich überrascht, als wir vor ihrer Bar standen. Nach kurzem Aufenthalt ging die Fahrt weiter direkt zu unserem Hotel in Le Puy-en- Velay.
Sonntag, 10. Juni 2012 - Le Puy-en-Velay bis Saugues (50 Km und 1036 Hm)
Heute gings los. Doch zuvor besuchten wir um 7 Uhr in der Kathedrale eine täglich stattfindende Pilgermesse. Wir staunten, wie viele Menschen an dieser Messe teilnahmen. Auch stellten wir fest, dass diese nicht nur aus Ländern Europas kamen, sondern es waren solche aus Nordamerika, Afrika, Asien und Australien anwesend. Nach dem Frühstück hiess es zuerst Koffer packen und verladen, Fahrräder richten und sich mit Paul unserem Chauffeur des Servicewagens absprechen, wo, wann und an welcher Örtlichkeit wir uns wieder sehen. Kurz nach der Wegfahrt von unserem Hotel kam bereits der erste, ca. 2 Km lange, steile Aufstieg. Es war ein erster Test, der uns zeigen sollte, was uns in den kommenden Tagen so alles erwarten wird. Oben angekommen hatten wir einen wunderschönen Blick zurück über die Stadt und konnten uns von ihr verabschieden. Auf Feld-, Wald- und Fusswegen gings weiter. Im Wald angekommen, hiess es plötzlich absteigen und schieben. Der Weg wurde so steil, dass er schlicht und einfach nicht mehr zu befahren war. Auf den Waldwegen machte sich der starke Regen der vergangenen Tage bemerkbar. Die Wege waren teilweise überflutet und wir mussten darauf achten nicht Opfer eines Sturzes zu werden. Entsprechend sahen unsere Räder aus, als wir wieder feste Strassen befahren konnten. Nach der Mittagsrast in Monistrol d'Allier folgte ein mehrerer Kilometer langer Aufstieg, der aber sehr angenehm zu fahren war. Während wir hochfuhren, fing es leider zu regnen an. Der Regen wurde immer heftiger und wir waren schliesslich froh, als wir an unserem Ziel in Saugues in unser Servicefahrzeug umsteigen konnten. Dieses brachte uns schnell ins ca. 30 km entfernt liegende Hotel Le Relais De Clavieres. Dieses befand sich in einem Naturschutzgebiet auf ca. 1350 Meter über Meer. Es wurde immer kälter und die Sicht infolge Nebels so schlecht, dass man kaum 100 m weit sehen konnte. Nach einem guten Abendessen suchten alle frühzeitig das Zimmer auf und schliefen schnell ein.
Hinweis:
Unweit von Bains im Ort Montbonnet befindet sich die Kapelle Saint-Roch à Montbonnet. Diese kleine romanische Kapelle war ursprünglich St. Bonnet, später St. Jacques und schließlich St. Roch (Heiliger Rochus) geweiht. Sie stammt aus dem 10. Jahrhundert und wurde mehrfach umgebaut.
Montag, 11. Juni 2012 - Saugues bis Aumont-Aubrac (Transfer)
Bei heftigem Regen, Wind und Kälte, lediglich 8 Grad warm, entschlossen wir uns beim Frühstück, dass wir die heutige Etappe mit dem Fahrzeug zurücklegen würden. So fuhren wir zurück zu unserem gestrigen Ziel und setzten ab dort unsere Reise an den heutigen Zielort fort.
Wir durchfuhren ein wunderschönes Tal, Hochebene und ärgerten uns ein wenig, als sich die Sonne dann plötzlich doch noch zeigte. Aber ihr Auftreten war nur von kurzer Dauer und es fing wieder an zu regnen. Wir hatten uns also doch richtig entschieden, dieses Teilstück mit dem Auto zu bewältigen. Das Tal befand sich auf einer Höhe von 1100 bis 1230 m. Im Hotel angekommen, gab es ein gutes Essen. Es schmeckte uns so gut, dass wir das Rezept dieses Gerichtes (Aligot) durch Kauf einer Postkarte sicherten. Wir haben uns vorgenommen, dieses zu Hause selbst zu kochen. Mal sehen ob es auch so gut werden wird.
Hinweis:
Ein Forstweg führt zum Margeridepass von L'Hospitalet. Hier erreicht die Via Podiensis ihren zweithöchsten Punkt vor den Pyrenäen. (1304 m ü.M.) Etwa 600 m nach dem Pass steht zuerst rechts der Rochusbrunnen, dann die dem gleichen Heiligen geweihte Chapelle Saint Roch.
Dienstag, 12. Juni 2012 - Aumont-Aubrac bis Espalion (Transfer)
Einmal mehr machte uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Der heutige Tag sollte wettermässig der schlimmste Reisetag werden. Schade, denn heute führte uns unsere Reise durch die wunderschöne Hochebene Aubrac und wenn man den Reiseführern Glauben schenken darf, lebt in diesem Gebiet pro km2 lediglich ein Mensch. Aber es soll sich hier auch um die kälteste Gegend Frankreichs handeln, so jedenfalls hat es uns eine ältere Pilgerin erzählt. Was für eine herrliche Gegend, diese Weitsicht, diese Einsamkeit. Der höchste Punkt dieser Hochebene, der Col d'Aubrac, befindet sich auf 1340 Meter über Meer. Eine Teilnehmerin aus einer Schweizer-Wandergruppe erzählte uns, dass es am Morgen in dieser Gegend derart geregnet habe, dass man nicht genau habe sagen können, ob es Schneefall oder Graupelschauer gewesen sei. Es sei einfach alles quer daher gekommen. Nach einer längeren Abfahrt und einem Höhenunterschied von 1000 m erreichten wir unser Ziel in Espalion, wo wir im Hotel De France übernachteten.
Hinweis:
Geschützt vor den kalten Nordwinden im Tal des Lot gelegen, erfreut sich Espalion eines fast mediterranen Klimas. Die alte Brücke, eine Häuserzeile mit alten Holzbalkonen und ein schöner Renaissancebau spiegeln sich im Fluss - ein Bild, das jedem Besucher in Erinnerung bleibt.
Mittwoch, 13. Juni 2012 - Espalion bis Conques (55 Km - 1120 Hm)
Endlich kein Regen, kein Wind. Unsere Stimmung stieg merklich an. Bei bewölktem Himmel und angenehmen Temperaturen starteten wir unsere heutige Etappe nach Conques. Dem Fluss ‚Le Lot' folgend fuhren wir anfänglich auf einem flachen Teilstück bis nach Estaing. An diesem Ort wohnt der ehemalige französische Präsident Valéry Giscard d’Estaing. Nach einem kurzen Halt setzten wir die Reise fort. Nach wenigen Kilometern wurden wir hart gefordert. Wir verliessen das schöne Flusstal und mussten hinauf auf eine Hochebene fahren. Dabei galt es bei einer Steigung von ca. 8 % etwa 11 Kilometer zurückzulegen. In Sénergues machten wir unseren Mittagshalt. Danach folgte ein 12 Kilometer langer Höhenweg auf welchem wir nach links und rechts eine wunderschöne Aussicht auf die hügelige Landschaft geniessen konnten, bevor wir schlussendlich auf einer 7 Kilometer langen, teils doch steilen Abfahrt das einer Festung ähnelnde Städtchen Conques erreichten. Bevor wir hier ankamen, öffnete der Himmel erneut für kurze Zeit seine Schleusen. Nach der Besichtigung des altehrwürdigen Städtchens verluden wir die Räder und fuhren mit dem Auto zu unsrem heutigen Nachtquartier. Dabei spielte unser "GPS" infolge einer Baustelle nicht so richtig mit. Bis es wieder den richtigen Weg aufzeigte, befuhren wir nicht vorgesehene Wege, kamen an einem abgelegenen Bauernhof vorbei bis wir uns schliesslich wieder auf dem richtigen Weg einfanden. In Le Bruel wurde übernachtet.
Hinweis:
Der Etappenort Conques wird auch als «Perle auf der Via Podiensis» bezeichnet, und wir werden diese Beurteilung sicher teilen. Im 9. Jh. entstand hier das noch gut erhaltene Benediktinerkloster, das heute als Pilgerunterkunft dient. Die Kirche Ste. Foy ist besonders bekannt durch das Tympanon am Westportal, ein Glanzstück romanischer Bildhauerkunst.
Donnerstag, 14. Juni 2012 - Livinhac bis Cajarc (60 Km - 1000 Hm)
Nach dem Verlassen unseres Hotels brachte uns Paul mit dem Auto nach Livinhac. Bei besten Wetterbedingungen starteten wir hier unser heutiges Tagesprogramm. Wieder folgten wir anfänglich dem Fluss "Le Lot". Nach 3 km Fahrt bogen wir rechts ab um anschliessend steil hinauf zur Hochebene zu fahren. Oben angekommen, lenkten wir unsere Räder auf fast verkehrsfreien Strassen immer leicht auf- und abwärtsführend auf einem Hügelkamm bis zum schönen Städtchen Figeac. Hier, auf dem schönen Dorfplatz stärkten wir uns. Nach der Verpflegung verliessen wir Figeac und es folgte ein 3 km langer, stark befahrener Aufstieg. Weg von dieser Strasse auf gewohnten Nebenwegen erreichten wir unser heutiges Ziel Cajarc. Heute war ein richtiger Bikeweg zu befahren, der unser ganzes Können und unsere ganze Aufmerksamkeit benötigte. Streng, aber schön war es gewesen. Auch haben wir gelernt, dass das was in den Wegbeschreibungen diversen Schriften des Jakobweges erwähnte Hinweis "Kann auch mit dem Fahrrad befahren werden" als nicht immer zutreffend bezeichnet werden kann. Auf einer Anhöhe wohnten wir im Hotel La Peyrade. Nach einem kurzen Ausgang im Städtchen legten wir uns zur Ruh.
Hinweis:
Im Mittelalter war Cajarc eine Durchgangsstation für Pilger. Das 1269 erbaute Hospitz findet in mehreren Texten Erwähnung und seit 1320 gab es eine Pilgerbrücke über die Lot. Diese Variante des Jakobswegs führt aus dem Lot-Tal hinauf auf die Kalkhochfläche der Causse du Limogne.
Freitag, 15. Juni 2012 - Cajarc bis Cahors (65 Km - 1000 Hm)
Bei bedecktem Himmel verliessen wir Cajarc und keiner von uns glaubte, dass es ab Mittag bei strahlend blauem Himmel sehr warm für uns werden würde. Bewusst fuhren wir heute, wann immer möglich, auf dem Pilger-Fussweg. Dazu mussten wir unser ganzes Können als Bikefahrer zeigen. Unsere Anstrengungen wurden einmal mehr belohnt. Wir begegneten, wie übrigens auch an allen anderen Tagen unserer Reise, vielen Pilgern. Auf einem mehrere Kilometer langen Höhenweg näherten wir uns der Stadt Cohors. Bevor wir die sehr steile Abfahrt in die Stadt antraten, machten wir einen Halt und genossen für einen Moment den Ausblick. Einige der Pilger beneideten uns, konnten wir doch mit den Rädern die steile Abfahrt zurücklegen. Jeder weiss, wie Mühsam solche Abstiege zu Fuss sind. Trotzdem, auch uns war nicht so Wohl dabei, den die Felgen wurden bei bremsen so heiss, dass wir sie, unten angekommen, nicht anfassen konnten. Von einem Platten wurden wir glücklicherweise verschont. An keiner anderen Etappe haben wir so viel Flüssigkeit zu uns genommen wie an diesem Tag. Erstmals haben wir uns auch gefragt, werden wir die nächsten Etappen bewältigen, wenn es ab jetzt immer so heiss sein würde ? Das Hotel "Campanile" war unser heutiges Nachtlager. Nach einem Stadtbesuch war frühzeitig Nachtruhe angesagt.
Hinweis:
Im Mittelalter vereinigten sich in Cahors die Pilgerströme nach Santiago de Compostela, welche dem Tal des Lot oder des Célé gefolgt waren. Über die Brücke Pont Valentré verließen sie die Stadt um über die Kalkhochfläche der Quercy Blanc weiter nach Montcuq zu ziehen.
Samstag, 16. Juni 2012 - Cahors bis Moissac (75 Km - 730 Hm)
Auch heute war herrliches Wetter angekündigt worden. Aufgrund der längeren Distanz und der zu erwartenden Hitze entschlossen wir uns, die ganze Strecke auf dem Fahrradweg zurück zu legen. An diesem Tag passierten wir mehrere schöne, fast menschenleere Städtchen. Unser Besuch in dem auf einem Hügel befindenden Städtchen "Lauzerte" sei besonders erwähnt. Der Aufstieg zu diesem Ort mit schönem Dorfplatz, wo wir uns stärkten und anschliessend die obligate Aussicht genossen, hat sich wirklich gelohnt. Zügig fuhren wir unserem Etappenziel entgegen, waren doch nur noch wenige nicht allzu schwere Aufstiege zu bewältigen. Doch heute machte uns die Hitze zu schaffen und es hiess einmal mehr trinken, trinken und nochmals trinken. Schlussendlich konnten wir eine längere Abfahrt geniessen. Im Tal angekommen folgten mehrere lange, teils leicht abfallende Geraden bis hin zu unserem Tagesziel. Moissac, eine grössere Stadt, sollte für zwei Tage unser Gastgeber sein.
Hinweis:
Die am Tarn gelegene Stadt Moissac (mit Bahnanschluss) ist berühmt wegen ihrer Abtei Eglise Saint-Pierre, welche zu den schönsten romanischen Bauten Frankreichs gehört. Allerdings ist nur noch der Glockenturm wirklich aus dem 12. Jh. Auch der Kreuzgang des daneben liegenden Benediktinerklosters ist sehr sehenwert. In der Altstadt finden wir ebenfalls noch gut erhaltene Fachwerkhäuser aus jener Epoche.
Sonntag, 17. Juni 2012 - Moissac bis Saint Antoine (35 Km - 625 Hm)
Eigentlich wäre heute Ruhetag gewesen. Da wir aber bereits 2 Etappen mit dem Auto zurücklegen mussten und die folgende Etappe mit 85 km bei allfällig grosser Hitze doch etwas lang erschien, entschlossen wir uns, diese Etappe in zwei Teilstücke aufzuteilen. So fuhren wir am heutigen Ruhetag 35 km bis nach Saint Antoine. Dies sollte sich, wie wir nachträglich feststellten, bewähren. Gemütlich nahmen wir die heutige Reise unter die Räder und fuhren einmal mehr auf dem wirklichen Pilgerweg. Und wieder führte der Fussweg im Wald derart steil hinauf, dass wir unsere Räder etwa 800 m den Berg hinauf schieben mussten. Das tat unserer Stimmung nicht weh, denn es sollte für heute die einzige grosse Anstrengung gewesen sein. Heute war zudem Wahltag in ganz Frankreich. In einem der kleinen besuchten Dörfer trafen wir auf einen Gemeindevertreter, der es sich nicht nehmen liess, auf unser Ersuchen hin einen Gemeindestempel in unsere Pilgerpässe zu machen. Er war erstaunt, als er hörte, woher wir kamen und liess unsd wissen, dass er selbst den Jakobsweg eben vor einer Woche auch beendet habe. Nach einer Fahrzeit von 2 Std 20 Min erreichten wir Saint Antoine, wo wir uns im einzigen vorhandenen Lokal in der gesperrten Fussgängerzone verpflegten. Der Wirt hatte an unserem Auftreten seine Freude und anerbot uns gar, dass wir unsere Räder bis Morgen bei ihm einstellen könnten. Dies nahmen wir dankend an, blieb uns doch das Verladen erspart. Nach unserer Rückkehr in Moissac, die etwa die Grösse der Stadt St. Gallen hat, erkundeten wir die Stadt, kauften Geschenke ein und liessen es uns gut gehen.
Hinweis:
Die am Tarn gelegene Stadt Moissac (mit Bahnanschluss) ist berühmt wegen ihrer Abtei Eglise Saint-Pierre, welche zu den schönsten romanischen Bauten Frankreichs gehört. Allerdings ist nur noch der Glockenturm wirklich aus dem 12. Jh. Auch der Kreuzgang des daneben liegenden Benediktinerklosters ist sehr sehenwert. In der Altstadt finden wir ebenfalls noch gut erhaltene Fachwerkhäuser aus jener Epoche.
Montag, 18. Juni 2012 - Saint Antoine bis Condom (55 Km - 880 Hm)
Nach dem Gepäckverlad fuhr uns Paul nach Saint Antoine, wo wir unsere Bikes wieder abholten. Dort machten wir eine kurze Kaffeepause. Kaum gestartet, begann es leicht zu regnen. Nicht für lange, denn bald zeigte sich der Himmel in schönstem Blau. Wieder besuchten wir mehrere Dörfer. Wie immer befanden sich diese meistens auf einem Hügel. Um diese zu besuchen lohnte es sich ab und zu einen kleinen Umweg zu machen, wurde man doch stets mit einer wunderschönen Aussicht belohnt. Viele dieser Dörfer hatten noch gut sichtbare Festungsmauern, die aufzeigten, dass sich die Menschen auch zu früheren Zeiten gegenüber ungewollten Besuchern zu wehren wussten. Müde aber mit grosser Zufriedenheit erreichten wir nach einer reinen Fahrzeit von 3 Std und 20 min unseren Etappenort Condom. Da am Folgetag eine grössere Tagesetappe auf dem Plan stand, gingen wir früh zu Bett.
Hinweis:
In der Mitte von Condom ragt die spätgotische Cathédrale Saint-Pierre auf. Während der Hugenottenkriege drohte die Hugenottenarmee 1569 mit der Zerstörung des Kirchenbaus, was von den Dorfbewohnern jedoch mit der Zahlung eines beträchtlichen Lösegelds verhindert werden konnte.
Dienstag, 19. Juni 2012 - Manciet bis Barcelonne du Gers (40 Km - 380 Hm)
Was für ein Tag. Während wir das Frühstück einnahmen, öffnete der Himmel seine Schleusen und liess es teilweise heftig regnen. Trotzdem entschlossen wir uns, die Bikerkleidung anzuziehen. Obwohl wir wussten, dass wir die heutige Etappe teilweise wohl oder Übel mit dem Auto beginnen mussten, hofften wir, dass der Regen bald aufhört und wir den Rest mit dem Bike bewältigen können. So kam es dann auch. Doch als wir unsere Räder zum Verlad behändigten, hatte der Schreibende einmal mehr Pech indem er feststellen musste, dass das Vorderrad einen Platten aufwies. Vorweggenommen sei gesagt, dass dies auf unserer Reise die einzige Panne gewesen ist. Schnell war der Schaden behoben, das Gepäck und die Räder verladen. Bei Regen fuhren wir mit dem Begleitfahrzeug die ersten 45 km bis nach Manciet. Auf dem Weg dahin besuchten wir noch eine Ausgrabungsstätte von einem römischen Bäderhaus. Dann war es Zeit, das Mittagessen einzunehmen. In einem schönen Lokal, in welchem die Tische und Polsterstühle mit weissen Tüchern abgedeckt waren, trauten wir uns in unserer Radbekleidung anfänglich gar nicht erst uns hinzusetzen. Aber die Wirtin war sehr höflich, hatte nichts gegen unsere Kleidung und wies uns einen Platz zu. Das Tagesmenue zu Euro 13.00 schmeckte ausgezeichnet. Nach dem Essen stellten wir fest, dass es aufgehört hatte zu regnen und die Strasse bereits trocken war. So ging die Reise weiter mit dem Bike. Bereits nach 20 km Fahrt fing es für kurze Zeit wieder zu regnen an. Zügig und zielorientiert führte uns Heiner an den heutigen Etappenort Barcelonne du Gers. Die 40 km legten wir in 1 Std und 40 Min zurück. Unser heutiger Übernachtungsort hatte es in sich. Die Zimmer im schlossähnlichen Bau waren alle individuell und sehr liebevoll ausgerüsteteingerichtet. Wir kamen uns wie gekrönte Häupter vor. Im Nachbardorf Aire-sur-l'Adour, wo der "Vatertag" gefeiert wurde, verbrachten wir den Abend.
Hinweis:
Im Mittelalter war Aire-sur-l’Adour eine wichtige Pilgerstädtion vor den Pyrenäen. Heute bietet der Ort vier Pilgerherbergen. Der Weg verlässt den Flusslauf des Ardur und führt durch eine fruchtbare Ebene bevor diese von Hügelketten des Pyrenäen-Vorlandes abgelöst wird. Hier bestimmen Wiesen, kleine Wälder und die alten Dörfer auf den Hügeln, das Bild. Der nächste größere Ort ist Miramont-Sensacq, bevor es über Pimbo nach Arzacq-Arraziguet geht.
Mittwoch, 20. Juni 2012 - Barcelonne du Gers bis Argagnon (80 Km - 990 Hm)
Beim Start ahnten wir nicht, dass uns heute temperaturmässig eine heisse Etappe bevor stand. Wie jeden Tag führte uns Heiner sicher durch die Gegend ans Ziel. Den ganzen Tag fuhren wir immer wieder bergauf und bergab, so, wie wir es bis heute gewohnt waren. Wir fuhren an riesigen Weizen- und Maisfeldern vorbei. Auch wagten wir uns heute wieder auf dem eigentlichen Pilgerweg zu fahren. Es war streng, aber wir wurden abermals durch wunderschöne Aussichten und absolute Stille belohnt. Teilweise war es so still, dass man lediglich seinen eigenen Atem und Herzschlag hören konnte. Nach einer reinen Fahrzeit von gut 5 Std. erreichten wir unser heutiges Ziel Argagnon. Zuvor hatte Heiner noch eine kleine Überraschung für uns bereit. Anstatt die letzten 900 m gerade aus, führte er uns hinab ins Tal. Hier fuhren wir an Weizen- und Maisfeldern vorbei und stiegen dann wieder hinauf zu unserer Pension, wo Paul bereits bei einem Bier sass und sehnlichst unsere Ankunft erwartete. Schön war es trotzdem…
Hinweis:
Die Kirche Saint-Barthélémy in Pimbo, die dem Apostel Bartholomäus geweiht ist, stammt aus dem 12. Jahrhundert. Sie ist eine der Etappen auf dem Jakobsweg. Eine Stiftskirche in Pimbo wurde allerdings erstmals in einem Text aus dem 11. Jahrhundert erwähnt. Das romanische Bauwerk aus dem 12. Jahrhundert besteht aus drei Längsschiffen und drei Absiden. Es wurde nach den Hugenottenkriegen restauriert.
Donnerstag, 21. Juni 2012 - Sauvelade bis St-Jean-Pied-de-Port (70 Km - 1050 Hm)
Die heutige Etappe hätte über 90 km weit geführt. Wir entschlossen uns aber, die ersten 23 km mit dem Auto zurück zu legen. Als wir Sauvelade erreicht hatten, gings gleich zur Sache. Heute gab es mehrere heftige, steile Aufstiege die es zu überwinden galt. Schön an diesen war, dass sie nicht sehr lange waren. Bei diesen steilen Anstiegen kam ab und zu schon der Gedanke auf, einfach abzusteigen und den Rest zu Fuss zu gehen. Ausserdem muss gesagt werden, dass auch der heutige Tag sehr warm war. So ab der Mittagszeit kam noch ein weiterer Gegner dazu. Plötzlich bekamen wir den Wind zu spüren. Der blies ab und zu so heftig, dass man selbst beim Abwärtsfahren in die Pedalen treten musste. Ausserdem blies er ab und zu auch von der Seite, was sehr unangenehm war. Gings dann bergauf und er blies uns entgegen, war doppelte Kraft gefragt. So kam es, dass wir uns kurz vor dem Ziel besprachen, ob wir mit dem Auto weiter fahren sollen. Da wir zu diesem Zeitpunkt nur noch 18 km vor uns hatten, sahen wir davon ab. Wir wollten alle unbedingt mit dem Bike an unserem Zielort einfahren. So geschah es dann auch. Nach einer reinen Fahrzeit von 4 Std und 11 Min erreichten wir die Kirche von Saint-Jean-Pied-De-Port. Wir hatten es geschafft und waren sichtlich stolz auf unsere Leistung. Für die Übernachtung überführte uns Paul in zügigem Tempo mit dem Servicefahrzeug ins Hotel Juantorena in Saint-Etienne-De-Baigorry.
Hinweis:
Saint-Jean-Pied-de-Port markiert den Endpunkt des französischen Jakobsweges Via Podiensis, der hier mit der Via Turonensis und der Via Lemovicensis bereits zwei wichtige französische Jakobswege aufgenommen hat, und den Beginn des Camino Francés, der für den restlichen Weg nach Santiago de Compostela steht. Für Jakobspilger ist es zugleich Ausgangspunkt für die Pyrenäenüberquerung.
Freitag, 22. Juni 2012 - Ruhetag, Besuch der spanischen Stadt Pamplona
Der Heutige Tag diente vor der morgigen Rückreise als Erholungstag. Da wir uns nur wenige km von der spanischen Grenze befanden, besuchten wir die spanische Stadt Pamplona. Diese Stadt ist bekannt dafür, weil Stiere traditionsgemäss durch die Strassen der Altstadt bis zur Stierkampfarena getrieben werden. Angeblich mutige Männer rennen den Tieren voraus. Dabei kommt es immer wieder zu schweren Unfällen, wenn diese von den Tieren auf die "Hörner" genommen werden. Wir besuchten die Altstadt und gingen eben diese Strassen entlang.
Samstag/Sonntag, 23./24. Juni 2012 - Heimreise
Früh traten wir unsere Heimreise an. Via Avermes, wo wir übernachteten, trafen wir am Sonntagnachmittag wohlbehalten zu Hause ein.
Schlussbemerkungen:
Einen speziellen Dank sei Heiner ausgerichtet, der mit seiner akribischen Arbeit alles dafür getan hatte, dass diese Reise ein voller Erfolg geworden ist. Auch Christine sei gedankt, denn ihre Sprachkenntnisse hat uns Tür und Tor geöffnet. Nicht vergessen will ich den Chauffeur unseres Servicefahrzeuges, Paul, denn ohne sein Mittun hätte diese Reise nicht stattgefunden. Wir haben ca. 580 km mit dem Bike zurückgelegt und dabei eine Höhendifferenz von ca. 8800 m überwunden. Wir sind alle dankbar, dass diese Reise unfallfrei verlaufen ist.
Auch ich (Heiner) möchte mich bei allen Beteiligten bedanken und gratulieren für die Superleistungen, speziell dem Schreiberling Urs für seine angenommene Herausforderung. Chapot!